Ihr sagt Kürzung – Wir sagen STREIK. Die angemessene Antwort auf die Dresdner Mittelkürzungen im Bildungs-, Kultur-, Jugend-, Sozial- und Gleichstellungsbereich

Der Dresdner Stadtrat hat im Februar Kürzungen in den Bereichen Bildung, Kultur, Jugend- und Sozialarbeit sowie Gleichstellung beschlossen. Eine Landtagswahl kommt auf uns zu, CDU und AfD werden uns weiterhin, mit oder ohne Koalition, das Leben schwer machen.  Wir als Mitarbeiter_innen und Nutzer_innen betroffener Initiativen, Träger und Projekte werden uns nicht wegducken, und auch nicht gegeneinander ausspielen lassen. Unser Blick richtet sich nicht nur auf’s eigene Projekt, das zu retten ist. Wir sehen es nicht ein, als Konkurrent_innen gegeneinander zu kämpfen. Das Geld wird immer weniger, aber das ist nicht unsere Schuld, und auch nicht die Schuld unserer Kolleg_innen. Es ist die Schuld diverser politischer und ökonomischer Entscheidungsträger_innen, sowie einer patriarchalen Gesellschaft, die unsere sogenannte „Frauenarbeit“ prinzipiell abwertet. Sie „setzen die Prioritäten eben anders“ – und sie können es, wenn wir uns nicht zur Wehr setzen, und trotz immer größerer Überlastung, immer weniger Zeit und immer knapperer Ressourcen selbstaufopfernd alles immer noch schaffen. So wie wir oft zusätzlich zur Lohnarbeit Haushalt und Sorge-Arbeit irgendwie noch schaffen – meist unsichtbar und unbezahlt. Wir werden uns mit aller Kraft gegen einen Rechtsruck stemmen, der Frauen als ‚Gratis‘-Sozialarbeiter_innen in Ehe, Küche und Vaterland schieben will. Gegen die neoliberal flexibilisierte Armut und die Individualisierung gesellschaftlicher Probleme setzen wir unsere Solidarität. Wir werden aus der aktuellen Lage nicht den Schluss ziehen, politisch den Mund zu halten, in der Hoffnung, nicht zuerst ‚dran‘ zu sein. Wir werden uns nicht mit Almosen für einige wenige Projekte abspeisen lassen, geschweige denn dankbar dafür sein. Wir können so nicht arbeiten, wir wollen so nicht leben. Wir werden uns organisieren und streiken üben, am 8. März und darüber hinaus. Immer mehr werden sich beteiligen, wir haben einen langen Atem. Wer nicht kapiert, wie wichtig und wertvoll unsere Arbeit ist, wird damit klarkommen müssen, dass wir sie verweigern.
Treffpunkt und Austausch am 8. März: dezentrale Streikfrühstücks in verschiedenen Stadtteilen, dann gemeinsames feministisches Streik-Fest auf dem Postplatz, 14-18 Uhr.  Mit Essen und Kinderbetreuung, Basteln, Musik, Boxworkshop, internationaler Schreiminute uvm. https://f-streikdresden.de  Bringt eure Kolleg_innen, eure Freund_innen, eure Klient_innen, eure zu Betreuenden, eure Eltern, eure Kinder, und alle anderen mit! 🙂
Hier noch ein längerer, tiefergehender Beitrag:

Nicht einzeln wegducken, konkurrieren, kannibalisieren – gemeinsam STREIKEN! 
Was der Haushaltsbeschluss des Dresdner Stadtrats und die Mittelkürzungen im Bildungs-, Kultur-, Jugend-, Sozial- und Gleichstellungsbereich mit dem Frauenstreik am 8. März zu tun haben
Der von der neuen Dresdner Stadtratsmehrheit aus CDU, FDP, AfD und „Bürgerfraktion“ beschlossene Haushalt für 2019/20 hat mit einem Kahlschlag in der Bildungs-, Kultur-, Jugend-, Sozial- und der Gleichstellungsarbeit viele stadtbekannte Initiativen, Träger und Projekte in eine prekäre und teils existenzbedrohte Lage gebracht. 
Besonders betroffen sind dabei auf Seiten der Träger_innen wie der Nutzer_innen nicht umsonst v.a. Frauen. Schließlich sind sie es, die weiterhin den Großteil von Reproduktions- und Sorgeaufgaben tragen, die nicht vollständig profitabel, zeiteffizient und marktförmig organisiert werden können – vom Aufziehen der Kinder, der Unterstützung Kranker und Pflegebedürftiger bis zu den vielfältigen Sozial-, Kultur- und Bildungsaufgaben, die für die Ausbildung mündiger Bürger*innen, aber auch für ein lebenswertes Leben vorausgesetzt wären. Für große Teile dieser Aufgaben setzt die Gesellschaft – im heiligen Namen von Liebe und Familie – ganz auf die scheinbar kostenneutrale Überausbeutung weiblicher Gratisarbeitskraft. Diese ist eine Grundlage heterosexistischer Hierarchien, Ausbeutungsverhältnisse und immer noch ungleicher Lebenschancen. So halten sich sexistisch-patriarchale Muster der Abwertung von Weiblichkeit und der strukturellen und ganz direkten häuslichen und sexuellen Gewalt gegen Frauen. Diese patriarchalen Grundstrukturen machen Gleichstellungsarbeit und viele Formen sozialer Unterstützung erst so bitter notwendig. Bis zu einem gewissen Grad hat an deren Unterstützung die kapitalistisch-patriarchale Gesellschaft selbst ein Interesse. Schließlich muss der Laden ja weiterlaufen – von der Altenpflege über die sexuelle, intellektuelle, gesundheitliche, emotionale und psycho-soziale Betreuung der Männer, damit die in ihren wichtigen Jobs funktionieren, bis zu Kindern, die in ausreichender Zahl geboren und in hinreichender Qualität großgezogen werden müssen, damit es morgen noch genügend Arbeitskräfte, Soldat_innen, Unternehmer_innen, politisch-ökonomische Eliten gibt, die weiter am Untergang des Planeten arbeiten können. 
Hier braucht es, zynisch gesprochen, Ausgaben der öffentlichen Hand für den sozialpolitischen Notreparaturbetrieb, um in den Burnout getriebene oder sonst überlastete Frauen wieder fit zu machen, vor allzu offener Gewalt zu schützen oder durch konkrete Angebote zu unterstützen. Außerdem soll Frau heute zwar weiterhin den Großteil der reproduktiven Arbeit gratis leisten, aber nebenbei (sozusagen als eierlegende Wollmilchsau) auch auf dem Arbeitsmarkt gleichberechtigt ihren Mann stehen. Das dann freilich überproportional wieder in eben jenen Sozial-, Bildungs- und Care-Berufen, die oft ebenso hoch qualifiziert, aber schlechter bezahlt sind als die Arbeit überwiegend männlicher Leistungs- und Verantwortungsträger (z.B. Bomben erfinden, bauen, verkaufen und werfen, Ressourcen vernichten, kurz: Geld machen). Denn in einer Gesellschaft, die für das absurde Spiel, aus Geld immer mehr Geld zu machen, beständig daran arbeitet, die ökologischen und sozialen Grundlagen eines möglichen guten Lebens zu ruinieren, gibt es beim ‚Gedöns‘ (G. Schröder) der unprofitablen Sozial-, Bildungs-, Umwelt- und Familienarbeit zwar immer mehr als genug zu tun, aber immer zu wenig Geld. 
Das gilt erst recht, seit die neoliberale Ökonomisierung des Sozialen die Prekarisierung entsprechender Berufsfelder vertieft hat. Wo unsichere Mittelzuweisungen am seidenen Faden knapper parlamentarischer Mehrheitsverhältnisse hängen, also der Willkür des Fraktions- und Koalitionsgeküngels ausgesetzt sind, reicht es dann, wenn vier für SPD und Linke gewählte Stadträte ihre Parteien verlassen, um gemeinsame Sache mit konservativen bis stramm rechten Parteien zu machen, um viele Projekte noch weiter an den Rand der Existenz zu drängen. Das dürfte freilich nur ein Vorgeschmack auf jene Einschnitte sein, die ganz Sachsen im (nicht unmöglichen) Fall einer CDU-AfD-Regierung nach der nächsten Landtagswahl drohen. Und auch abgesehen von der Frage, ob die sächsischen CDU den Steigbügelhalter für die AfD spielt oder nicht, hat sie seit langen mit einer Schul- und Bildungspolitik im Dauerkrisenmodus ihre Wertschätzung dieser Bereiche hinreichend dokumentiert. 
Was können und sollten von den jetzt beschlossenen (und noch erwartbaren!) Kürzungen und Kahlschlägen in den Gleichstellungs-, Kultur-, Bildungs- und Sozialbereichen betroffene Menschen nun tun? Das in vielerlei Hinsicht naheliegende wäre es, genau die Rolle anzunehmen und auszufüllen, die Frauen gesellschaftlich ohnehin zugewiesen wird und auf die sich implizit oder explizit auch viele liberale, konservative bis rechtsradikale Parteien verlassen. Also im Namen der Verantwortung für notwendige gesellschaftliche Aufgaben oder auch für konkrete Menschen, die man damit bisher unterstützt hat, für weniger oder gar kein Geld, die Angebote weiter aufrecht zu erhalten. Also das was bisher auf ganzen Stellen geleistet wurde, auf halben oder drittel Stellen anzubieten was politisch dann nur bestätigt, dass auch die verbliebenen Ausgaben eigentlich überflüssig sind und die Arbeit eigentlich auch ganz ehrenamtlich gestemmt werden kann. 
Ebenso nahe liegt es wohl leider auch, das beliebte Spiel der Selbstkannibalisierung mitzuspielen. Also unter Bedingungen weiter verknappter Mittel zu sehen, welche Teilprojekte und Initiativen die anderen zuerst auffressen, um selbst länger zu überleben. Eng damit verbunden wäre wohl ein Wettrennen in Fragen politischer Opportunität, Anpassung und Unterordnung. Es ginge also darum bevorzugt Teilprojekte und/oder Personen zu opfern, die politisch Ecken und Kanten oder gar emanzipatorische Ansprüche haben, um sich auf ein „Kerngeschäft“ zurückzuziehen, von dem man hofft, dass es in jedem politischen System irgendwie notwendig und insofern unterstützenswert bleibt. Soziale und reproduktive Aufgaben für die Volksgemeinschaft und die Wertschätzung und Förderung der kosmischen Kraft deutscher Mutterschaft standen schließlich auch im NS hoch im Kurs, was es großen Teilen der bürgerlichen Frauenbewegung ermöglichte, sich selbst gleichzuschalten, um unter neuen Bedingungen weiter Frauenarbeit zu machen. Wer sich rechtzeitig von allem trennt, was künftig unter den Verdacht geraten könnte, von rechts betrachtet zu feministisch oder zu links auszusehen, kann vielleicht doch etwas für sich oder für die Sache retten, auch wenn dafür vieles andere geopfert werden muss. Aber etwas Opferbereitschaft muss schon sein, schließlich kann man nicht alles haben.
Die andere, vielleicht nicht so naheliegende, Möglichkeit wäre es, sich zu solidarisieren und gemeinsam zeigen, dass es so nicht weiter gehen kann und soll. Vielleicht ist das die anstrengendere Variante, die in ihren individuellen Erfolgsaussichten auf den ersten Blick sehr viel ungewisser ist, bei der aber im Unterschied zur ersten alle gewinnen, besser leben und arbeiten und sich morgens noch im Spiegel ansehen könnten. 
Dazu gibt es am 8. März mit dem Frauen*streik eine Möglichkeit auch in Dresden zu zeigen:  Wenn wir die Arbeit niederlegen, steht die Welt still! Aber auch um gemeinsam zu überlegen, wie die allzuoft getrennten sozialpolitischen und feministischen Kämpfe besser verbunden werden können, und wie mensch die Welt anders (und besser!) wieder zum Laufen bringt.
Frauenstreik oder Feministischer Streik heißt dabei eben nicht, dass es um irgendwelche isolierbaren ‚Frauenthemen‘ geht. Es geht um allgemeine Menschheitsthemen, um Wirtschafts- Bildungs-, Sozial- und Gleichstellungspolitik, auch um Ökologie und die Frage, wie wir anders und besser leben wollen. Diese Fragen betreffen alle Menschen, betreffen aber verschiedene Geschlechter aufgrund sexistischer Ausbeutung und Gewalt nochmal in besonderer Form. Klar werden wir an diesem einen Tag (noch) nicht die Welt aus den Angeln heben und auch nicht wieder einrenken. Grade auch in Dresden und Sachsen wird das nur einer von vielen Tagen sein, an denen an vielen Stellen viele Kämpfe zu führen sind, deren Ausgang und Erfolg auf absehbare Zeit ungewiss bleiben dürfte. Aber so wie die Dinge gerade in Dresden stehen, gilt einmal mehr: Wer kämpft, kann verlieren, aber wer nicht kämpft, hat schon verloren. Der 8. März hat in den letzten Jahren in vielen Ländern erneut eine große Kraft entwickelt und dürfte insofern auch in Dresden nicht der schlechteste Tag sein, um feministische und sozialpolitische Kämpfe miteinander zu verbinden. Wir sehen uns bei einem der dezentralen Streikfrühstücks, oder ab 14 Uhr auf dem Postplatz! Bringt eure Kolleg_innen, eure Freund_innen, eure Eltern, eure Kinder, eure Klient_innen, eure zu Pflegenden, zu Betreuenden, und alle anderen mit! 🙂 
Ihr sagt Kürzung? Wir sagen Streik!
Nähere Infos unter: https://www.f-streikdresden.de/