Redebeitrag vom Schulstreik in Mönchengladbach

Am 24. November 2020 streikten unter anderem Schüler:innen eines Berufskollegs in Mönchengladbach für bessere Konzepte in der Bildung während der Corona-Krise. Uns als Dresdner Schüler:innengewerkschaft war es wichtig uns mit ihnen zu solidarisieren.

Im Vorfeld vernetzen wir uns mit den Organisator:innen und der FAU-Sektion Mönchengladbach. Wir haben den Austausch als sehr bereichernd empfunden und denken, dass es in dieser Form vor allem durch die föderale Organisationsform ermöglicht wurde. Wir arbeiten lokal als Sektion an den Stellen, die uns selbst betreffen (Schule & Ausbildung), können über die Bundes-FAU schnellen Kontakt Informationsaustausch herstellen und darüber mit Menschen in Kontakt kommen, die an ähnlichen Problemen arbeiten, wie wir selbst. Von diesem Organizing haben vermutlich alle Beteiligten profitiert. Wir sind dafür dankbar und hoffen, dass es auch in Zukunft einen solchen Austausch und daraufhin kraftvolle direkte Aktionen geben wird. Nachfolgend wollen wir unseren Redebeitrag bzw. unser Grußbotschaft an die Streikenden in Mönchengladbach veröffentlichen.

Liebe Schüler:innen, liebe Azubis, liebe Streikenden,

wir sind eine anarchistisch-syndikalistische Schüler:innengewerkschaft aus Dresden und es hat uns sehr gefreut, davon zu hören, dass ihr heute nicht zur Schule geht, um für bessere Coronakonzepte an Schulen zu protestieren! Wir finden, das ist ein richtiger und wichitger Schritt und wollen euch darin bekräftigen.

Die Corona-Pandemie verlangt uns allen viel ab. Wir sollen unsere Kontakte begrenzen und viele Freizeitaktivitäten und Treffpunkte fallen weg, um die Fallzahlen einzudämmen. Doch während von uns erwartet wird, dass wir uns im Privaten extrem einschränken, machen die Kultusminister:innen kaum etwas, um die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sowie deren Angehöriger zu sichern. Die Politik reagiert auf die Anliegen jüngerer Generationen in der Coronakrise genauso wenig, wie bei der Klimakrise.
Statt sinnvolle Hygiene- und Unterrichtkonzepte oder notwendige Fortschritte in der Digitalisierung der Schulen, wird Geld in die Rettung umweltzerstörender Unternehmen wie die Lufthansa gesteckt. Auch Kürzungen im sozialen Bereich verschärfen die Lage der Unterpriviligierten in der Krise noch mehr.

Dass Schüler:innen für ihre Forderungen streiken, macht ihr Anliegen nicht, wie Laschet sagt, unglaubwürdig. Nein, es ist genau das richtige Mittel.

Syndiakalist:innen sprechen von direkten Aktionen. Das bedeutet das unmittelbare Eingreifen in wirtschaftliche und politische Zusammenhänge, ohne auf die Entscheidungen vermeintlicher Volksvertreter:innen zu warten. Zu direkten Aktionen zählen unter anderem Streiks und Boykotts, aber auch Blockaden und Besetzungen. Das stärkste Mittel, dass wir haben ist der Streik, denn wenn Menschen ihre Arbeitskraft verweigern, kann aus dieser kein Profit erwirtschaftet werden. Da sich die Wirtschaft am maximalen Wachstum orientiert, haben wir hier unser stärkstes Druckmittel.

Bei einem Schulstreik ist das etwas anders, denn wir werden nicht bezahlt, sondern nehmen aus Sicht des Staates in der Schule die Dienstleistung an, uns ausbilden zu lassen. Wenn wir diese also für kurze Zeit verweigern, entspricht das eher einem Boykott dieser Dienstleistung. Von einem Streik im wirtschaftlichen Sinne könnte man dann sprechen, wenn die Schüler:innen und Auszubildenden solange fern bleiben, dass Staat und Wirtschaft die neuen Arbeitskräfte ausgehen. Das wäre dem Staat nicht so egal, wie unsere Anliegen.

Doch in Deutschland wird rechtlich zwischen politischen Streiks und jenen Streiks unterschieden, die Verbesserungen am eigenen Arbeitsplatz anstreben. Politische Streiks stehen nicht unter rechtlichen Schutz, da in der BRD vorgesehen ist, dass Regierungen und Abgeordnete politische Entscheidungen treffen. Die Bevölkerung soll sich damit zufrieden geben aller paar Jahre ein Kreuz zu setzen und sich mit Demonstrationen und Appellen an die Politiker:innen zu richten, die für diese allzu leicht zu überhören sind.

Wir wissen, dass nicht unsere Interessen für die Politik an erster Stelle stehen, sondern die Interessen der Wirtschaft. Schulschließungen werden auch deshalb vermieden, weil sonst viele Eltern zuhause bleiben müssten, um auf ihre Kinder aufzupassen und somit ihre Arbeitskraft nicht verwertet werden könnte.

Doch wisst ihr was? Wenn ihr verweigert in die Schule zu gehen, weil ihr fordert, dass eure Gesundheit dort nicht gefährdert wird, dann ist das im Sinne der BRD kein politischer Streik, sondern einer, der sich um eure Arbeitsbedingungen dreht.

Wir finden diese Unterscheidung gar nicht so sinnvoll, denn natürlich ist die Schule auch ein politischer Raum. Wir sind der Politik der Kultusministerien und Lehrpläne ausgesetzt und auch einige Lehrkräfte äußern sich im Unterricht politisch, mal rassistisch, mal sexistisch, mal in dem sie Corona verharmlosen oder leugnen. Wir sollten uns auch das Recht nehmen uns politisch zu artikulieren und auf die Handlungen der uns vorgesetzten Autoritäten zu reagieren.

Einige Lehrkräfte mögen euch drohen, dass ihr unentschuldigte Fehlstunden aufgeschrieben bekommt oder euch sonst wie einschüchtern.
Wir fragen uns: Was soll das?
Ein Schulstreik für bessere Hygienekonzepte sollte kein Kampf zwischen Leher:innen und Schüler:innenschaft sein, sondern ein gemeinsamer.
In Paris läuft das auch so. Schüler:innen und Lehrkräfte streiken dort zusammen und blockieren Schulen, um den Staat zu zwingen sich ihrer Anliegen in der Pandemie anzunehmen.
Deutschland ist leider sehr streikfaul. Außerdem sorgen beispielsweise Hetzkampagnen der BILD immer wieder für Entsolidarisierungen der Bevölkerung gegenüber beispielsweise Streikenden des ÖPNVs.

Doch wir sollten uns immer ins Gedächtnis rufen, dass alle sozialen Errungenschaften auf Kämpfe zurück gehen, sei es der 8-Stunden Tag, Arbeitsschutzmaßnahmen, die Verhinderung vom Bau neuer Atomkraftwerke oder der Rodung des Hambacher Forsts, das Frauenwahlrecht oder die Legalisierung von Homosexualität. Keine diese Errungenschaften wurde uns einfach von den Parlamenten geschenkt, wie oft suggeriert wird. Nein, dem gingen massenhafte Aktionen voraus, ziviler Ungehorsam, Aufstände, Besetzungen, Blockaden, Streiks.

Auch Gewerkschaften, also Zusammenschlüsse von Arbeiter:innen, wurden nicht immer anerkannt. Sie wurden dämonisiert, zeitweise sogar verboten. Mit eurem Mut heute zu streiken, riskiert ihr vielleicht ein paar unentschuldigte Fehlstunden. Aber ihr tretet in die Fußstapfen vieler Menschen, die für die Rechte jener eintraten, die sonst überhört wurden. Wenn Schüler:innen heute noch kein offizielles Recht haben gegen bspw. gesundheitsgefährdende Bedingungen in der Schule zu streiken oder wenn ihre Zusammenschlüsse nicht anerkannt werden, dann muss sich auch dies ändern.

Vielleicht seid ihr heute noch kein massenhafter Streik, weil Einschüchterungen seitens der Lehrkräfte funktionierten. Aber ihr habt einen Anfang gemacht. Auch in einem Berufskolleg in Essen organisieren Schüler:innen einen Hybridstreik um bessere Corona-Schutzmaßnahmen zu erwirken. Sie verzeichnen sogar schon kleine Erfolge, denn es fahren mehr Busse für die Schüler:innen.

Auch Fridays for Future fing klein an, erst mit einer Person in Stockholm, nach einer Weile auch ein paar Streikenden in Berlin, beim Global Climate Strike dann 1,7 Millionen Menschen in Deutschland und Streiks auf allen Kontinenten der Erde.

Also Leute, gebt nicht auf.
Vernetzt euch online mit anderen kritischen Schüler:innen an eurer Schule, in eurer Stadt, vielleicht sogar bundesweit. Hört euch nach solidarischen Lehrkräften um. Vielleicht hilft euch auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW oder die Basisgewerkschaft FAU. Lasst euch mit Bestrafungsversuchen seitens der Schule nach dem Streik nicht allein und stärkt euch gegenseitig den Rücken.
Bleibt mutig, kritisch und widerständig.