Vortreffpunkt FAU Löbtau | 12 Uhr | C-Park, Columbusstraße
Am 29. November 2019 werden sich wieder tausende weltweit unter dem Schlagwort “Klimastreik” mit Streiks und Demonstrationen gegen eine umweltzerstörerische Politik und Wirtschaft wehren. Als allgemeines Syndikat Dresden der FAU schließen wir uns diesen Forderungen an und sprechen uns zu gleich dafür aus, diese Aktionen im wirtschaftlichen Bereich deutlich auszuweiten.
Die vergangenen Monate haben eindrucksvoll gezeigt, welche Probleme Proteste aufwerfen, deren Charakter v.a. symbolhaft ist. Trotz Millionen demonstrierender weltweit, trotz massenhaftem Schulboykott, wurden keine Änderungen auf den Weg gebracht, die dem Ausmaß der globalen Katastrophe angemessen wären.
Was wir erlebt haben, ist die Abwälzung der Verantwortung auf die Endverbraucher_innen, sind neue Subventionsprogramme für die Autoindustrie im grünen Gewand, sind Absichtsbekundungen, ist Klientelpolitik grüner Parteien und der ihnen nahestenden Lobbyverbände.
Das dies – entgegen aller wissenschaftlichen Erkenntnisse, die die Dringlichkeit des Problems aufzeigen – das bisher ernüchterne Ergebnis einer der größten Protestbewegungen der vergangenen Jahrzehnte ist, darf nicht wundern. Weder sind die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft einfach blind, noch sind sie einfach inkompetent. Auch wenn alle aktuellen Regierungen gegen ihre grünen Gegenspieler_innen ersetzt würden, würde sich an der bedrohlichen Lage nut wenig ändern.
Nachhaltige Ökologie ist dann gegeben, wenn ein System nicht ständig künstlich neue Produktbedürfnisse produziert. Wenn kaum jemand gezwungen ist, für die Arbeit ständig hunderte Kilometer zurück zu legen, wenn Produkte nach der Maßgabe der Haltbarkeit, Aufrüstbarkeit und guten Reperaturmöglichkeit konzipiert werden, wenn niemand mehr gezwungen ist, für sein Überleben den heimischen Regenwald abzuholzen oder Kohle abzubauen. Nicht zu Letzt wenn die Wahl ökologischer Produkte und Verkehrsmittel keine Frage von Einkommen und Wohnort mehr ist (und somit mehr der Abgrenzung und moralischen Erhöhung als einem echten Wandel dient).
All das ist in einer kapitalistischen Wirtschaftordnung allerdings nicht oder nur mit großen abstrichen zu haben. Die Klimastreik-Bewegung fordert zu Recht auf, auf Wissenschaftler_innen zu hören und im Sinne der Zukunft der Menschheit rational zu handeln. Dieser Ruf muss allerdings verhallen, denn im Kapitalismus werden Entscheidungen nur zu geringen Teilen aufgrund von rationalen Abwägungen zur Lage und Zukunft der Menschheit gefällt. Dagegen gilt die Rationalität der Profitlogik und die eingeschränkten Entscheidungsspielräume innerhalb wirtschaftlicher Gesetze.
Wenn von 10 Unternehmen oder Staaten 9 beginnen, aufwändig ökologisch zu handeln, auch zu Ungunsten von Profit, Steuereinnahmen und Wirtschaftsleistung, so hat dies nur den Machtgewinn des 10. Staates oder Unternehmens zur Folge, das sich diesem Handeln entzieht und dabei mehr Profit und Kapital generieren kann.
Die ökologische Bewegung wird deshalb, will sie wirklich erfolgreich sein, um zwei Dinge nicht herum kommen:
a) den Weg hin zu Generalstreiks zu vollziehen, die tatsächlich die Steuereinnahmen der Staaten und Profite der Unternehmen treffen
b) das Bekenntnis zu einer postkapitalistischen Wirtschaftsform, die sich der nachhaltigen Bedürfnisbefriedigung von Mensch und Umwelt verschreibt
In beiden Punkten sind wir tatsächlich alle gefragt: Einerseits müssen wir uns auf eine Weise organisieren, die solche Generalstreiks tatsächlich möglich macht. Andererseits müssen wir alternative Wirtschafts- und Gesellschaftsformen realistisch diskutieren und planen und uns dabei nicht von den Denkverboten der heute scheinbar Priviligierten einschüchtern lassen.
Als Gewerkschaft rufen wir zu diesem 29. November lediglich zu Demonstrationen auf, unterstützen jedoch weiterhin alle Mitglieder und sonstigen Arbeiter_innen, die der Arbeit fern bleiben und dadurch Nachteile erfahren. Unser Streikaufruf bleibt diesmal aus, da wir festgestellt haben, dass es sowohl gewerkschaftsintern noch einige Schritte braucht, bis alle unsere Mitglieder effektiv die Arbeit ruhen lassen können und andererseits die Streikbewegungen am Zug sind, diesen Prozess durch solidarische Mitgliedschaft zu beschleunigen.
Einen besonderes Augenmerk wollen wir am Schluss noch auf die Revolution in Nordsyrien, auch Rojava genannt, richten: Dort wird seit Jahren trotz der Bedingungen eines erbitterten Krieges gegen den Daesh/IS und die Diktatur Türkei, versucht nachhaltigen Umweltschutz zu leisten. Die dortige Revolution hat sich neben Ökologie dem Feminismus, der Basisdemokratie und der gemeinwohl-orientierten Wirtschaft verschrieben. Sie ist damit ein Beispiel für ein echtes Hinausdenken über den heutigen Status quo. Dieses Revolution wurde in diesem Herbst zum erneuten male von der Türkei mit Hilfe deutscher Panzer und anderer Waffensysteme angegriffen. Trotz der furchtbaren menschlichen und ökologischen Folgen dieser Invasion konnte sich weder Deutschland noch die EU zu konsequentem Handeln durchringen. Als nun die Türkei mit Ölbohrungen vor Zypern begann, ging es mit Sanktionen der EU sehr schnell. Dieser Fall zeigt uns: Profite stehen vor Völkerrecht, Umwelt, Menschenleben. Die Revolution in Nordsyrien zeigt aber auch: Revolutionäre Bewegung ist weiterhin möglich, die Verbindung von Kämpfen um Feminismus, Ökologie, Basisdemokratie und eine andere Wirtschaftsordnung hat enormes Potential. Wir rufen daher alle Klimastreik-Bewegten auf, einerseits am 29. November und danach ihre Solidarität mit Rojava zu zeigen, andererseits sich auch aktiv in Bewegung um den feministischen Streik am 8. März 2020 einzubringen.