Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit setzt sich ein FAU-Mitglied gegen FLINK aufgrund unrechtmäßiger Kündigung vor dem Arbeitsgericht durch.
Schon Ende 2022 wehrte sich ein Rider gegen eine fristlose Kündigung von FLINK nach einem Arbeitsunfall erfolgreich.
Diesmal ging es um eine Kündigung gegen Agya, der im September 2021 bei FLINK als Rider begonnen hatte. Während seiner Beschäftigung erlebte er selbst sowie zahlreiche Kolleg:innen diverse Missstände, über die die wir im Zusammenhang mit der Unterstützung des Riders Prince bereits berichtet hatten. Neben Lohnausfällen oder verspäteten Lohnzahlungen sind auch die Arbeitsbedingungen bei den Lieferdiensten mies. Sie müssen auch bei schlechtem Wetter mit teils viel zu schweren Rucksäcken fahren, müssen ihre Arbeitsmittel wie Smartphones teilweise selbst stellen, bekommen Teile ihre Urlaubs vorenthalten oder haben nur eingeschränkten Zugang zu digitalen Arbeitszeiterfassungssystemen, was die Überprüfung der Lohnzahlungen erschwert. Obwohl FLINK bewusst viele ausländische Studierende einstellt, wird nicht ausreichend auf Sprachbarrieren eingegangen und werden wichtige Informationen zum Arbeitsverhältnis wie aushangpflichtige Arbeitschutzgesetze nicht ins Englische übersetzt.
Im aktuellen Fall erhielt Rider Agya ein schriftliche Kündigungsschreiben von FLINK, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass sein Arbeitsverhältnis automatisch mit dem Ende des für ausländische Studierende erlaubten Arbeitskondingents von 120 Tagen ende, kündigte jedoch sicherheitshalber „zudem hilfsweise […] außerordentlich fristlos, höchst hilfsweise ordentlich, äußerst hilfsweise außerordentlich unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist […]“.
Nach seinem Urlaub kam Agya in die gewerkschaftliche Beratung der FAU, um sich gegen die Kündigung zu wehren. Bei einer Güteverhandlung am 28. Februar vor dem Arbeitsgericht sollte die Rechtmäßigkeit der Kündigung erörtert werden.
FLINK zweifelte zunächst an der Zulässigkeit der Kündigungsschutzklage, da der Betroffene erst nach Ablauf der Klagefrist gegen die Kündigung vorgegangen wäre. Weil er jedoch einige Wochen im Urlaub war und das dem Arbeitgeber zuvor mitgeteilt hatte, glaubte der Richter nicht, dass er das Klagerecht verwirkt hatte, da ihm nicht zugemutet werden könne im Urlaub alle Maßnahmen zur Einreichung einer schriftlichen Kündigungsschutzklage zu treffen.
Auch die zweite Argumentation von FLINK wurde stark bezweifelt. Denn FLINK sei von Anfang an klar gewesen, dass das Arbeitskontingent innerhalb des Jahres 2022 ausgeschöpft werde, aber nach der Abgeltung der Urlaubsansprüche im Dezember ab 2023 ein neues Kontingent entstehe und durch die entstehende Lücke von insgesamt wenigen Tagen das Arbeitsverhältnis nur als ruhend interpretiert werden könne. Der anwaltliche Vertreter des Riders wies zudem darauf hin, dass wohl die gewerkschaftliche Organisierung der wesentliche Grund für die beabsichtigte Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei.
Da die Ausschöpfung des Arbeitsumfangs jedoch was anderes als ein Ende der Berechtigung zur Ausübung des Arbeitsverhältnisses ist, zweifelte der Richter auch bei diesem Argument an der Rechtmäßigkeit der Kündigung von FLINK. Die Vertreterin von FLINK mit einer dauerhaften Verfügbarkeit von Lieferfahrer:innen und versuchte die Entscheidung mit der „Schnelllebigkeit“ des Unternehmens zu begründen. Die treffende Reaktion des Richters darauf: „Das mag Ihre Motivation sein, aber zur Begründung reicht es nicht.“
Für eine gütliche Einigung hinsichtlich einer Beendigungslösung des Arbeitsverhältnisses machten beide Seiten zunächst sehr unterschiedliche Angebote. Darauf hin wurde die Verhandlung pausiert, damit die FLINK-Vertreterin mit der Personalabteilung telefonieren konnte.
Wahrscheinlich erkannte FLINK das Gesetz auf Seiten des Arbeiters und ging in der abschließenden Einigung fast vollständig auf die Forderungen des Riders ein. Geeinigt wurde sich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 28.2.23, der Neuberechnung des Arbeitsentgeltes für November 2022 mit Nachzahlung eines möglichen Differenzbetrages, der Auszahlung eines Urlaubsentgeltes für Dezember 2022 in Höhe von 720 Euro brutto, der Arbeitsvergütung für Januar und Februar 2023 in Höhe von je 1.040 Euro brutto und eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes in Höhe von 1.500 Euro brutto, zudem auf eine Verschwiegenheitsklausel, nach der sich beide Parteien verpflichteten Dritten gegenüber über die getroffene Einigung Stillschweigen zu bewahren, was für die anwesende Öffentlichkeit nicht gelten kann.
Da die Kündigungen gegen die beiden Rider nur als Spitze des Eisbergs verstanden werden werden können, weil Rücksichtslosigkeit im Umgang mit ihren Angestellten als auch Union Busting und rechtswidrige Kündigungen Teil des Geschäftsmodells von FLINK & Co. sind, erwarten wir als FAU weitere Auseinandersetzungen und rufen alle Arbeiter:innen dazu auf, sich zu organisieren und gegen rechtswidrige Praxen von Arbeitgebern vorzugehen.
Weit lieber als solche Prozesse ist uns natürlich die offensive Betriebsarbeit. Deswegen, Arbeiter:innen in der Lieferdienstbranche, vereint euch, bildet Betriebsgruppen, organisiert euch gewerkschaftlichen Schutz, bildet euch weiter, kämpft und gewinnt! Solche Prozesse aber auch Organisierung kosten Kraft und Geld: Wenn du uns, dich und deine Kolleg:innen unterstützen willst, werde deshalb Mitglied!
Eine Antwort auf „Gekündigter Gewerkschafter siegt gegen Flink!“
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