Unsere Rückschau auf das Jahr 2016
So richtig positiv wird das Jahr 2016 wohl kaum jemanden in Erinnerung geblieben sein – rechte Übergriffe und Massenmobilisierungen setzten sich in Deutschland und Europa fort, wurden durch Asylrechtsverschärfungen und den Ausbau der Festung Europa weiter belohnt. Trotzdem waren wir ganz schön baff, als die verschiedenen AGs der FAU Dresden am Ende des Jahres ihre Berichte zusammen trugen und wir in Summe noch mal auf unsere Tätigkeit im letzten Jahr schauen konnten. Was als Artikel gedacht war, hat nun deshalb auch eher den Charakter einer Broschüre erreicht. Ziel unserer Publikation ist es, noch einmal die Breite der in unserem Syndikat geleisteten Tätigkeiten aufzuzeigen. Wir wollen anderen Mut machen, sich mit ihren eigenen Ideen und Projekten bei uns zu engagieren. Gleichzeitig wollten wir uns und euch die gemachten Forschritte aufzeigen, ebenso wie die Punkte, an denen wir im letzten Jahr stecken geblieben sind. Wie immer bitten wir euch um solidarische Kritik, wenn ihr den Eindruck habt, unsere Darstellung ist nicht ganz zutreffend oder wichtige Aspekte blieben unerwähnt. Wir hoffen, wir können euch einen spannenden und informativen Bericht bieten und wünschen hiermit viel Spaß beim Lesen!
Branche Kunst und Kultur
Dass es die Branchengruppe Kunst/Kultur gibt, ist neu. Unsere strukturierte Arbeit zum Thema Kunst und Kultur begann im Januar letzten Jahres mit einer Tagung zum Thema Streik an der Hochschule für Bildende Künste. Kulturarbeiter_innen und Mitglieder der FAU intervenierten auf der kunsthistorischen Konferenz, indem auf verschiedensen Ebenen nach den Produktionsbedinungen von Kunst im Allgemeinen und jener Konferenz im Speziellen gefragt wurde. Wir stifteten einen Ort des Austauschs, den wir Freizeitclub nannten. Hier gab es bildnerische Bearbeitung des Themas Arbeit/ Streik und Informationen zur gewerkschaftlichen Organisierung. Zudem wurde ein Fragebogen erarbeitet, der angelehnt an die Marx’schen Fragebögen sowohl das Bewusstsein der Kolleg_innen für Lebens- und Arbeitsbedingungen schärfen als auch uns einen Überblick ermöglichen sollte. Die hier gesammelten, anonymen Informationen können einen Ausgangspunkt der Organisierung sein. Join your local union! Noch auf der Tagung entspann sich ein spontanes Treffen von Menschen, die es dabei nicht bewenden lassen wollten – die Sektion Kunst und Kultur war geboren.
Hauptaktionsfeld war es zu Beginn Menschen zusammen zu bringen, Kontakte herzustellen, zu diskutieren und sich über das Spektrum der Interessensverbände aber auch die Verfasstheit der Kunst- und Kulturindustrie klarer zu werden. Dafür dienten 2016 insgesamt 6 offene „Meet and Greets“ mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten.
Neben der völligen Unterfinanzierung der Branche wurden dabei v. a. die Individualisierung unter den Kolleg_innen und die sehr verschiedenen Lebensrealitäten bspw. von freischaffenden, bildenden Künstler_innen und Handwerker_innen im Theaterbetrieb deutlich. Zum Zwecke eines differenzierten Bildes wurden deshalb auch bei verschiedenen Anlässen die Umfragen fortgesetzt, so dass die Sektion, die auch aus Nicht-FAU-Mitgliedern besteht, nun auf eine Vielzahl schriftlicher Selbsteinschätzungen zurückgreifen kann.
Weitere Aktionen der Branchngruppe waren u. a. diese:
- Recherchereise nach Utrecht um dort casco projects zu besuchen. Die Kulturinstitution schafft es in vielerlei Hinsicht ästhetisch und politisch zu sein. Das Format der „parasite lottery“ antwortet auf die Kürzungen im der öffentlichen Kulturfinanzierung vor Ort. Die Musikerin FRAU inspirierte uns mit ihren Liedern. Der Refrain „We are parasites, join our paradise…“ klingt nach.
- offener Brief zur Tagung „Kunst und Öffentlichkeit – Dispositive zwischen Verein, Initiative und Institution“ des Landesverband Bildende Kunst Sachsen.
- Entwurf und Installation des Banners „kreativ = aus Scheiße genial Geld machen, kompetent, besser: können, flexibel – sich biegen lassen, reflektiert, und dann: handeln!“
- Schriftliche Intervention zur Frage nach der politischen Verantwortung von Künstler_innen, Galerist_innen und Besucher_innen der Kunstmesse Köln.
Branche Nahrung und Gastronomie (BNG)
Leider gelang es im vegangenen Jahr kaum, mit der Basisgewerkschaft Nahrung und Gastronomie (BNG) neue Impulse zu entwickeln. Aktuell liegt das v. a. an den betrieblichen Konstellationen und persönlichen Kapazitäten betroffener Mitglieder.
Im Mai konnte die BNG immerhin einen halben Jahreslohn für eines ihrer Mitglieder erstreiten. Der Kollege war im Hebeda’s aus undurchsichtigen Gründen mündlich “gefeuert” worden. Eine Kündigung bedarf jedoch, auch im Minijob, zwingend der Schriftform. Der Kollege bot über Monate weiterhin regelmäßig seine Arbeitskraft an und zog dann mit Hilfe der BNG vor Gericht. Während des Gütetermin knickten die Betreiber des Hebeda’s ein.
Daneben gab die BNG an verschiedenen Stellen bisherige Erfahrungen weiter. So wurden mehrere Vorträge außerhalb Dresdens gehalten (siehe Weiterbildung) und junge Studierende während der kritischen Einführungstage (KRETA) über die gängigsten Probleme in der Neustädter Gastronomie aufgeklärt, ebenso wie über die Möglichkeiten sich zu wehren oder präventiv gegen Lohnraub vorzugehen.
Kritisch beteiligte sich die BNG nebst anderen FAU-Kolleg_innen auch an einer Veranstaltung des DAVE-Festivals zum Thema rassistische Türpolitik. Hier muss leider einige Kritik an der Veranstaltung angebracht werden: Obwohl die Betriebs- und Öffentlichkeitsarbeit der BNG in den Jahren 2014 und 2015 zu diesem Thema nach Angaben des DAVE-Teams ein Anstoß für die Veranstaltung gewesen sein soll, wurde die BNG erst kurzfristig nach Absage mehrerer anderer Akteur_innen eingeladen und wieder ausgeladen, als bekannt wurde, dass unser Vertreter im Vorfeld in einem betrieblichen Konflikt mit dem ebenfalls vertretenen Betrieb Hebeda’s gestanden hatte. Auch der daraufhin zugesagte Kurzinput der Moderation zur BNG wurde nicht eingehalten. Trotzdem waren Kampagnen und Aktionen der BNG mehrfach Diskussionsthema, weshalb die Kolleg_innen im Publikum von der Moderation dann doch mehrfach um Erläuterungen gebeten wurden. Wir finden dieses unprofessionelle und zu Gunsten der Chef_innen parteiische Verhalten sehr bedauerlich. Trotzdem kamen im Gespräch von den ebenfalls vertretenen Betrieben Sabotage und Scheune, dem AZ Conni und dem Antidiskriminierungsbüro Sachsen wichtige Impulse. Gerade die Position letzterer deckte sich eins zu eins mit der von uns geforderten Vorstellung einer betrieblichen Praxis.
Zum Jahresende wurden bereits bestehende Materialien der Branchensektion überarbeitet und neu gestaltet. Insbesondere das Thema (erzwungene) Scheinselbständigkeit – eine Beschäftigungsform, die wir leider v.a. in „alternativen“ und veganen Läden der Neustadt immer häufiger antreffen – beschäftigt uns weiter und wird seinen Niederschlag in Vortragsveranstaltungen und einem Infoflyer unter dem Slogan „selbst | ständig | pleite“ finden.
Branche Soziales
In der Branche „Soziales“ haben wir seit Jahren immer wieder Kontakt mit solidarischen Kolleg_innen, v. a. aus dem Bereich sozialer Arbeit. Es ist eine gewerkschaftliche Binsenweisheit, dass besonders in dieser Branche Kolleg_innen im Zwiespalt zwischen ihrer gesellschaftlich und individuell als höchst wichtig empfundenen Aufgabe und ihren völlig prekären Arbeitsbedingungen stehen. Dies und die damit verbundene ständige Erschöpfung und Überlastung sind es, die Organisation in diesem Bereich so schwer machen. Das haben auch wir wieder zu spüren bekommen. So haben sich im vergangenen Jahr zwar wieder einige neue Kolleg_innen aus dem Bereich bei uns organisiert, trotzdem reichten die Kräfte immer noch nicht, um wirkungsvolle Kampagnen zu entfalten oder die Zusammenarbeit mit anderen kritischen Akteuren der Branche, wie dem Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit nachhaltig zu vertiefen. Auch ein von uns organisierter Workshop zum Thema „Geld, Macht, Beziehungen in Erziehungs- und Sozialberufen“ stieß leider auf geringe Resonanz. Hier heißt es wohl auch im neuen Jahr: Kontakte pflegen, vorhandene Mitglieder in den alltäglichen Problemen bestmöglich unterstützen und sich bekannter machen.
Bildung und Wissenschaft
Über viele neue Mitstreiter_innen konnten wir uns im letzten Jahr aus dem Bereich Bildung freuen. Hier konnten nach einigem Auf und Ab gerade an den Hochschulen wichtige Kontakte und Grundlagen geschaffen werden, um in unserer Rolle sowohl als Studierende als auch als Angestellte unsere Interessen besser durchzusetzen. In diesem Zusammenhang beflügelte uns auch der Gründungsprozess der anarchosyndikalistisch-rätedemokratischen Hochschulgewerkschaft unter_bau in Frankfurt am Main, den wir durch Medienarbeit solidarisch begleiten. unter_bau hat direkt nach der Gründung die zweitstärkste Gewerkschaft, die GEW, im Betrieb so gut wie überholt und glänzt durch vielfältige Weiterbildungsstrukturen in den Bereichen Medienarbeit, Arbeitsrecht, Betriebsrecherche und politische Weiterbildung. So schnell es die Prozesse in Frankfurt erlauben, wollen wir in Dresden zusammen mit unter_bau Veranstaltungen organisieren. Daneben beschäftigen uns die anstehenden Bildungsproteste um das „Lernfabriken meutern!“-Netzwerk, das ab März eine neue Welle von Bildungsprotesten angekündigt hat.
Der zweite Organisationsbereich in der Branche ist für uns die politische Bildung. Auch hier konnten wir unsere betriebliche Basis im vergangenen Jahr ausbauen. Gründe sich zu organisieren gibt es auch hier wie an der Uni genug. Sind doch auch vermeintlich „linke“ Träger_innen nicht davor gefeit, dass Befristung, Unterbezahlung, Intransparenz und fehlende betriebliche Mitbestimmung ihre Betriebsverhältnisse prägen.
Allgemein steht uns hier die Zeit der spektakulären Arbeitskämpfe vielleicht noch nicht in allzu naher Zukunft bevor. Gerade die zweijährige Vorbereitungszeit der Gewerkschaft unter_bau vor ihrer offiziellen Gründung zeigt uns aber auch, wie lohnenswert es ist, sich in den Betrieben zunächst einmal gut aufzustellen, Grundsätze zu entwickeln und sich gegenseitig fit zu machen. In diesem Sinne schauen wir in der Branche aktuell sehr ambitioniert und optimistisch in die Zukunft.
Branche Bau
Schon über die vergangenen zwei Jahre zog sich unsere Auseinandersetzung mit der Briefkastenfirma „City Aktiv GmbH“ aus Berlin um die Löhne unseres bulgarischen Kollegen Vladimir. Genchev, der Eigentümer der Firma, hatte im Zuge des Konflikts alle nachweisbaren Geschäfte aufgeben, war eine Weile sogar im Social Media abgetaucht, um weiteren Protesten zu entgehen. Durch eine sehr unternehmerfreundliche Richterin und Pech bei der Wahl unseres Anwalts (wir haben mittlerweile professionellere Partner_innen) verloren wir den Fall auf juristischer Ebene. So haben wir an Genchev zwar immerhin ein Exempel statuiert, welches sich hoffentlich herumspricht: Seine Nerven lagen reichlich blank und seine verbrecherische Geschäftsgrundlage war fürs erste lahm gelegt. Gleichzeitig müssen wir selbstkritisch eine Niederlage konstatieren. Aus dieser zogen wir über das Jahr verschiedene taktische und praktische Konsequenzen.
Da für uns aber vor allem die Hilfe für unseren Genossen im Vordergrund stand und steht, sammelten wir in der Folge noch Geld, um Vladimir wenigsten einiges an finanzieller Hilfe zukommen lassen zu können. Auch sonst ist das letzte Kapitel noch nicht ganz geschlossen: Die City Aktiv GmbH bekommt von Unterstützer_innen immernoch regelmäßig Post und Anrufe, die an die ausstehenden Zahlungen erinnern. Durch solidarische Kolleg_innen nahmen wir zudem Kontakte nach Bulgarien auf. Ziel ist es Arbeiter_innen vor Ort zu informieren, wie die Geschäftspraktiken dieser Rattenfänger_innen aussehen und was mensch im Betrieb dafür tun kann, um bessere Chancen als unser Kollege zu haben.
Eine weitere erfolgreiche Entwicklung kam Mitte des Jahres von kollektiv arbeitenden Handwerker_innen aus Thüringen: Diese haben sich entschlossen, mit der FAU zusammen eine Debatte über den Aufbau kollektiv-solidarischer Netzwerke unter Soloselbstständigen mit Mindestlöhnen, gegenseitiger Hilfe etc. anzustoßen. Mehrere Handwerker_innen der FAU Dresden und Chemnitz verfolgen diese Entwicklungen nun interessiert und begleiten sie mit. Sie stehen auch mit der Föderation gewerkschaftlicher Kollektivbetriebe „Union Coop“ aus Berlin in Kontakt. Diese befasst sich mit dem Aufbau einer anarchosyndikalistischen Kollektivbetriebsföderation, die sich gegenseitig finanziell unterstützt, Grundlagen der solidarischen Wirtschaft erprobt und von der FAU auf ihre sozialen und politischen Standards hin überprüft und dann von dieser zertifiziert wird.
Erwerbslosenarbeit
Wie schon in den vergangenen Jahren begleiteten wir uns wieder regelmäßig zu Jobcenter-Terminen und machten uns fit. Auch in diesem Jahr konnten wir wieder mehrere Sanktionen abwehren und einige von uns verweigerten wieder konsequent die Eingliederungsvereinbarung – und das mit Erfolg! Damit konnten wir uns als Betroffene wieder einmal das Leben mit Hartz IV ein bisschen weniger ätzend gestalten.
Was wir leider, entgegen unserer Vorsätze, noch nicht geschafft haben, ist eine umfassende Broschüre zu veröffentlichen mit rechtlichen Tipps und Tricks einerseits und unseren politischen und taktischen Positionen andererseits. Diese Broschüre soll die Grundlage für die Weiterbildung und die Organisierung von Betroffenen bilden. Wir werden die Produktion im kommenden Jahr weiter verfolgen und planen auch Aktionen vorm Jobcenter, um die Broschüre zu promoten. Helfende Hände sind hier weiter sehr gerne gesehen!
Antirepression
Im Zuge von Rechtsruck und sozialen Verschärfungen sind auch libertäre Basisgewerkschaften weltweit vermehrt von Repression betroffen. In diesem Sinne war dieses Jahr auch mehrfach die Solidarität unseres Syndikats gefordert.
So beschäftigte uns im Januar und April/ Mai eine Anklage gegen unseren Genossen Justus M. Dieser wurde beschuldigt am Rande einer NPD-Kundgebung, gegen die spontan auch Gewerkschafter_innen der FAU und von ver.di mobilisiert hatten, sich mit einer Fahne gegen einen Polizeiangriff verteidigt zu haben. Die FAU stand ihrem Mitglied mit Pressearbeit zur Seite und machte den Fall u. a. im Radio Corax (Halle), A-Radio und im Neuen Deutschland publik. Daneben wurde Geld gesammelt, um den Genossen neben den Geldern der Roten Hilfe zu unterstützen.
Am 29. April führte die FAU eine kleine Spontandemonstration durch die Neustadt in Solidarität mit Justus durch. Der Demonstrationstreffpunkt war offenbar bekannt geworden und so war der kleine Demonstrationszug erst von vier, später von acht Einsatzwagen der Polizei begleitet. Diese versuchten die Demonstration zunächst an der Ecke Louisenstraße/ Königsbrücker Straße, dann vor der Rudolfstraße 7, später erfolgreich auf der Conradstraße zu stoppen. Nach Verhandlungen erreichten die entschlossenen Teilnehmenden zunächst eine Weiterführung der Demonstration, die nach Ansicht der Polizei illegal war. Schließlich wurde die Demo an der Ecke Stauffenberg-Allee/ Königsbrücker Straße nach massiven Polizeiübergriffen abgebrochen um die Beteiligten zu schützen. Im anschließenden Auswertungsgespräch wurde die Demo und der Umgang mit der Repression trotzdem von den meisten als Erfolg gewertet.
Justus wurde im Anschluss am 3. Mai freigesprochen.
Ende Mai wurde unserer Schwesterngewerkschaft, der FAU Berlin, wieder mal per einstweiliger Verfügung verboten den Namen eines Unternehmens zu nennen, gegen welches sie zu dieser Zeit gerade einen Arbeitskampf führte. Diesmal ging es um das Hotel Barist am Hackeschen Markt. Mittels einstweiliger Verfügungen ist es der Unternehmensseite immer wieder möglich, Gewerkschaften ohne jeden Beweis mundtot zu machen. Verstöße können nicht nur immense Geldstrafen nach sich ziehen, auch Haftstrafen für Vertreter_innen der Gewerkschaft wurden 2016 angedroht. Gegen diese Zustände organisierte die FAU Berlin am 4. Juni eine Demonstration mit transnationalem Charakter, die den Blick auch auf die zu dem Zeitpunkt anhaltenden sozialen Kämpfe in Frankreich richtete. Als FAU Dresden mobilisierten wir fleißig mit und fuhren mit mehreren Mitgliedern und Sympathisant_innen nach Berlin. Leider zeigte sich auch hier wieder einmal, dass die Solidarität aus anderen politischen Organisationen und Bewegungen oft sehr begrenzt ist und so erschienen zu diesem wichtigen Anlass gerade einmal 300 Menschen. Diese demonstrierten dafür immerhin laut, entschlossen und in den verschiedensten Sprachen.
Mitte Juni waren die Streiks und Massendemonstrationen gegen die geplante Arbeitsmarktreform in Frankreich auf einem neuen Höhepunkt. In dieser Situation stürmte die französische Polizei des Gewerkschaftslokal der mit uns befreundeten Gewerkschaft CNT in Lille. Dabei wurde das dort befindliche Inventar weitgehend zerstört und zwei Kolleg_innen in Untersuchungshaft gesteckt. Am 14. Juni – dem Tag für Streiks und Massendemonstrationen in ganz Frankreich – organisierten wir aus diesem Grund eine kleine Solidaritätsdemonstration. Ziel war es, einerseits Lohnabhängige in Deutschland auf das Thema und die Art und Weise des Kampfes im Nachbarland aufmerksam zu machen. Andererseits wollten wir den Genoss_innen in Lille zeigen, dass die Repression gegen sie auch im Ausland beobachtet wird.
Neben diesen Anlässen bewog die damals jüngst erfolgte Eröffnung eines Thor-Steinar-Ladens sowie mehrere rechte Übergriffe in Löbtau uns dazu, auch diese Probleme während der Demonstration zu beleuchten. Wir stellten dem Konzept von Sündenbocksuche und Nationalismus der rechten Bewegung die inklusive und transnationale Solidarität der französischen Streikbewegung entgegen. Leider hatte der Naziladen bereits geschlossen, als wir ihn erreichten. Von Neonazis wurden wir trotzdem bemerkt und erfolglos mit Eiern und Böllern attackiert. Die Demo reagierte gelassen und mit einigem Spott. Wie auch bei den übrigen Demonstrationen waren auch an diesem Tag die Teilnehmendenzahlen nicht all zu hoch, trotzdem kam auch hier von Teilnehmenden und Passant_innen im anschließenden Auswertungsgespräch wieder jede Menge gutes Feedback zusammen. Das internationale Sekretariat der Bundes-FAU übersetzte dankenswerter Weise zeitnah unseren Aktionsbericht und leitete ihn an die CNT in Lille weiter, die sich sehr über diesen Akt freute.
Im Herbst des Jahres kam es erneut zu einem weniger erfreulichen Ereigniss – dem Gerichtsprozess gegen unseren Genossen, den Basisgewerkschafter und Antifaschisten Alex E. Ihm wurde vorgeworfen, er habe am ersten Jahrestag der menschenfeindlichen Pegida-Bewegung das Blaulicht eines Polizeieinsatzfahrzeuges abgerissen und dieses über das Fahrzeug hinweg auf abreisende Teilnehmer*innen des rechten Aufmarsches, beziehungsweise auf Polizist_innen geworfen. Von der sächsischen Gerichtsbarkeit hatte Alex nicht viel zu erwarten, von den Zeug_innen ebenso wenig. Ausschließlich der Staatsgewalt angehörig meinten diese, sie könnten den Beschuldigten unter anderem anhand „dreckiger Schuhsohlen“ eindeutig identifizeren. Konkrete Beweise, belastendes Videomaterial oder ähnliches gab es nicht und die Richterin verlies sich auf die Zeug_innenaussagen. Deshalb war die solidarische Unterstützung im Saal, als auch vor dem Amtsgericht am letzten Prozesstag durch die FAU und befreundete Gruppen umso wichtiger. Zwar wurde Alex E. verurteilt, doch damit unser Genosse die Geldstrafe nicht alleine tragen muss, sammelte und sammelt die FAU weiterhin Spenden und steht dem Basisgerwerkschafter unterstützend zur Seite.
Ein Ende der Repression ist leider nicht zu erwarten, weder in unseren Arbeitskonflikten noch auf der Straße, wo insbesondere bei den wöchentlichen Anti-Pegida-Protesten unserer befreundeten Gruppe NOPE. immer wieder Antifaschist_innen unter den verrücktesten Vorwänden angezeigt und vor Gericht gezerrt werden. Unser Ziel ist es, auch in solchen Fällen als Gewerkschaft finanziell und aktionistisch zusammen zu stehen und niemanden allein zu lassen. Ob dafür 2017 eine feste AG nötig wird und ob wir diese aktuell schon stemmen können, dass ist heute noch nicht abzusehen. Ein herzliches Dank an dieser Stelle jedenfalls an all die beherzten Menschen, die einen Teil ihres Lohnes in die Solikassen warfen, um unsere Genoss_innen zu unterstützen!
Feminismus
Mit einem Kampf gegen Kapitalismus ist es nicht getan, das Patriarchat gehört genauso angegriffen, das ist für uns klar. Von einem anarchosyndikalistischen Standpunkt heißt das für uns, v. a. die Mehrfachbelastung von (oft auch indirekt) lohnabhängigen Frauen zu betrachten, Ungerechtigkeiten in Bezahlung, Mehrbelastung, Rentenberechnung zwischen den vermeintlichen Geschlechtern zu analysieren, öffentlich zu machen und Kampfstrategien gegen diese Missstände mitzuentwickeln.
Aus diesem Grund beteiligten wir uns dieses Jahr, wenn auch eher strukturell und im Hintergrund, an der Organisation und Mobilisierung von zwei feministischen Großdemonstrationen. Das war zum einen die feministische Kampftagsdemo in Leipzig, die uns inhaltlich aber auch von ihrer Atmosphäre her sehr beeindruckt hat. Zum anderen nahmen an der Demonstration gegen Abtreibungsgegner_innen in Annaberg-Buchholz zu unserer Freude ca. 30 Mitglieder anarchosyndikalistischer Organisationen teil und die wieder durch Kraft, Kreativität und inhaltliche Pointierung glänzte.
Um es nicht dabei bewenden zu lassen und uns stärker einem aktuellen anarchosyndikalistischen Konzept zu nähern, schauten wir uns im Spätsommer einen Teilbereich feministischer Kämpfe genauer an: Die geschlechtlich immernoch massiv ungleich verteilte Reproduktionsarbeit. Während wir uns schnell einig waren, dass der bezahlte Teil dieser Reproduktionsarbeit auch in seiner feministischen Dimension in den Arbeitskämpfen und Branchensektion zu thematisieren wäre, betrachteten wir gezielt die Sphäre der unbezahlten Reproduktionsarbeit.
Dabei beschäftigte uns einerseits die Frage, wie diese jenseits von eingefahrenen, geschlechtlichen Rollenbildern aufgeteilt werden kann. Andererseits, wie sich allgemein der Spagat zwischen oft benötigtem Vertrauensverhältnis (z.B. Sorgearbeit, Pflege, Kindererziehung) und der Notwendigkeit nach mehr Vergesellschaftlichung leisten lässt. Letzerer ist nötig, weil gängige Familienmodelle für die betreffenden oft erdrückend, andererseits aber auch schlicht löchrig und unzureichend sind. Erste Gegenkonzepte wurden aus historischen Debatten und aktuellen Experimenten zusammen getragen und sollen in Zukunft intensiver überarbeitet werden. Ziel ist es, sich an ein aktuelles, feminstisch-syndikalistisches Konzept zum Umgang mit Reproduktionsarbeiten anzunähern.
Wir haben uns sehr gefreut, uns beim ersten „Böse und Gemein“-Festival mit einen Infostand und Bewerbung beteiligen zu können. Bei der Verantaltung „Feminist Take Over“ im AZ Conni stellten wir danach unsere Arbeit und unsere bisherigen Diskussionsansätze vor. Schließlich konnten wir den in Planung befindlichen feministischen Stadtrundgang mit Material über die syndikalistische Frauenbewegung Dresdens in der Weimarer Republik unterstützen.
Aktuell planen wir daneben mit der Jena Unterstützungsgruppe der Gefangenengewerkschaft (GG/BO) eine Kundgebung am Frauenkampftag vorm Frauenknast in Chemnitz und wollen uns auch dieses Jahr wieder an den Protesten in Annaberg-Buchholz beteiligen. Strukturell ist im Syndikat aktuell zu diesen Themenkomplexen eine Arbeitsgruppe in Gründung.
Antifaschismus (AFA)
Antifaschismus blieb auch im letzten Jahr wieder ein wichtiges Thema für uns. Eine Selbstverteidigung gegen rechten Konsens, rechte Einschüchterung und rechten Terror schafft erst den Platz, um eine emanzipatorische Kritik an Verhältnissen mit den Mitmenschen zu entwickeln und daraus Konsequenzen zu ziehen. So ist heute eine Positionierung für sozial-libertäre Ideen an vielen Orten und für viele Menschen nicht möglich, weil rechte Gewalt als Antwort befürchtet wird. Besonders stark merken wir das immer wieder bei unserer Arbeit außerhalb der „linken Wohlfühlkieze“ Dresdens, in denen leider auch immer wieder ausreichend viele militante Rechte ihr Unwesen treiben.
Antifaschismus ist für uns aber kein Selbstzweck, sondern ein Vehikel für den Aufbau einer sozialanarchistischen Bewegung und dem Ausbau eines humanistisch-klassenbewussten Gesellschaftskonsenses. Unter diesen Gesichtspunkten werten wir für uns Sinn und Unsinn unserer antifaschistischen Tätigkeit aus. Hier standen wir im vergangenen Jahr des Öfteren in Opposition zu anderen antifaschistischen Zusammenhängen bzw. begegneten deren Taktik und Gewichtung mit Unverständnis. Unsere antifaschistische Tätigkeit hatte demnach im letzten Jahr drei grundsätzliche Stoßrichtungen:
- Kampf gegen konkrete rechte Umtriebe in unseren Betrieben, Dörfern, Stadtteilen
- Vermittlung antifaschistischer Positionen an Nachbar_innen und Kolleg_innen
- solidarische Kritik an Missständen innerhalb der bestehenden, radikalen Antifabewegung
Die erste größere Aktion in diesem Jahr war die Beteiligung am „Solidarity without limits“-Bündnis zur Organisation eines internationalen Aktionstages gegen die rechte Vernetzung „Fortress Europe“. Die Wichtigkeit bestand für uns darin, unseren Partner_innen in anderen Ländern einerseits die ganz reale, politische Bedrohung für zig tausende Menschen in Europa ins Bewusstsein zu rufen, andererseits die Kooperation zu verbessern. Ein starker, internationaler Konter auf die Aktion der Nazis sollte helfen, diese zu entmutigen. Zu diesem Zwecke verfassten wir einen eigenen Aufruf, der unter Mithilfe der internationalen Sekretariate der FAU und der Föderation deutschsprachiger Anarchist_innen (FdA) in eine Reihe von Sprachen übersetzt wurde. Es hat uns unglaubich gefreut, dass diesem Aufruf zu Gegenaktionen dann noch einige Organisationen folgten, bspw. unsere Schwesterngewerkschaft USI in Italien, die anarchosyndikalistische Gewerkschaft IP in Polen und die anarchistische Organisation Vrije Bond in Belgien/Holland. In Dresden nahmen wir mit einem Redebeitrag und einem eigenen Block an der Demonstration teil.
Anfang April waren wir mit verschiedenen Mitgliedern auf dem Antifa Jugendkongress in Chemnitz präsent, wo die FAU Chemnitz, FAU Dresden und unsere Partner_innen aus der Unabhängigen Linken Hochschulgruppe Chemnitz jeweils eigene Info-Stände hatten. Solidarische Hilfe erhielten wir dabei auch von Genoss_innen der Anarchosyndikalistischen Jugend aus Leipzig. Anstoßen konnten wir hier auch Organisationsprozesse unter anarchistischen Jugendlichen, was uns sehr erfreut hat.
Durchgängig waren Mitglieder von uns an diversen Gegenprotesten gegen rechte Ausschreitungen und wiederkehrende Nazidemos beteiligt. Darunter war auch die Kundgebung am 17. Juni auf dem Postplatz, bei der uns Dresden Nazifrei für zwei Redebeiträge einlud, die gute Resonanz erhielten. Außerdem beteiligten wir uns am libertären Block der NOPE.-Demo während der Libertären Tage mit einem Redebeitrag zu proletarischem Antifaschismus.
Am 21. August war die FAU Dresden und Mitglieder anderer syndikalistischer Organisationen recht zahlreich auf der Demonstration zur Erinnerung an den Jahrestag rechter Pogrome in Heidenau vertreten und hielt dort auch einen Redebeitrag. Da es von Seiten der Mitdemonstrant_innen unserer Meinung massiv zu kontraproduktivem Verhalten bis hin zu klassistischen Aktionen kam (meint Diskriminierung aufgrund von Einkommen, für Klasse typische oder mit Klasse assozierte Merkmalen), formulierten wir später eine ausführliche und kritische Auswertung. Dieser Text fand zu unserer Freude bundesweit Beachtung und löste ein überwältigendes Feedback aus, was uns nachhaltig verblüffte. Das machte uns Mut, auch weiterhin mit Kommentaren und Diskussionsbeiträgen in der antifaschistischen Bewegung aktiv zu bleiben.
Im Herbst beteiligten wir uns dann zusammen mit der Undogmatisch-Radikalen Antifa (URA) und der Gruppe Internationalistisches Zentrum an der Besetzung der WIR AG auf dem Lutherplatz, die u. a. als Wahlkreis-Büro von Katja Kipping (MdB, die Linke) dient. Die Besetzung war eine Reaktion auf das Räumen mehrerer, besetzter und u. a. von Refugee-Familien benutzter Häuser in Griechenland durch die Syriza-Regierung, Partnerpartei der Linken. Gleichzeitig protestierten wir als FAU gegen den anhaltenden Rechtspopulismus durch die Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht.
Ebenfalls im Herbst gründeten wir in der FAU offiziell eine AG, die sich mit Antifaschismus und Antirepression auseinander setzt, die AFA (FAU). Schwerpunkt bildet hier zunächst die Vernetzung von Mitgliedern und die Aufklärung über rechte Strukturen in den einzelnen Stadtteilen.
Jugendarbeit, Hilfestellung für Menschen die sozialpolitisch aktiv werden wollen
Verschiedentlich gab es, wie auch schon im letzten Jahr, Diskussionen darum, wie wir frisch aktiv gewordene, v. a. junge Menschen in ihrem Engagement unterstützen können. Besonders stellte sich diese Frage auf dem diesjährigen Jugendkongress in Chemnitz (siehe Bildungsarbeit). Später begleiteten wir die Gründung eines Zusammenhangs, in dem sich junge Anarchist_innen organisieren, mit der Weitergabe von Wissen, u. a. über IT-Sicherheit, Dresdner Projekte und bundesweite Organisationen.
Wir bemerkten bei dieser Arbeit verschiedene Spannungsverhältnisse: zwischen Wissens- bzw. Erfahrungsweitergabe und Bevormundung, zwischen der Ermunterung zu Selbstorganisation von relativ unvoreingenommenen Menschen ohne viel Erfahrung und dem Anschein eines Nichteingeladenwerdens zur Partizipation in den schon bestehenden Strukturen usw.
Wir möchten daher auch für das kommende Jahr noch einmal betonen, dass wir sowohl Einzelpersonen als auch jungen Gruppen und Zusammenhängen gerne unsere Erfahrung und Unterstützung weitergeben, sei es inhaltlich, sei es in Fragen von IT, Organisation, Demos, Technik und Vernetzung. Andererseits braucht es weder ein gewisses Alter noch ein spezielles Vorwissen, um sich bei uns zu engagieren. Das ist uns wichtig und wir freuen uns über Feedback, wenn das an einer Stelle mal anders wirkt.
Weiterbildung
Weiterbildung ist und bleibt einer der wichtigsten Bereiche unserer Syndikatsarbeit. Im vergangenen Jahr konnten wir mit unseren Bildungsveranstaltungen insgesamt rund 260 Teilnehmer_innen erreichen (Veranstaltungen der SRB nicht mitgezählt). Die Haupziele unserer Bildungsarbeit sind dabei folgende:
- Erfahrungsweitergabe zur Unterstützung befreundeter Strukturen (z. B. Vorträge zu Arbeitskämpfen, Betreibsgruppen-Workshops)
- Intervention in Diskurse, Weiterbringen der emanzipatorischen Bewegung (z. B. Vorträge „Antifaschismus als Sysiphosaufgabe?“, „Anarchosyndikalismus auf dem Land“, Wandzeitung zu autoritärem Sozialismus)
- Darstellung unserer Arbeit, unseres Konzepts von Anarchosyndikalismus, Finden neuer Mitstreiter_innen (z. B. Vorträge „Grundthesen Anarchosyndikalismus“, „Die Basisgewerkschaft Nahrung Gastronomie“)
- Weiterbildung in rechtlicher Hinsicht (z. B. Vorträge zu Scheinselbstständigkeit, Hartz IV)
- Weiterbildung neuer Mitglieder, Transparenz über die Strukturen
Wir wollen euch hier kurz ein paar unserer Highlights des Jahres 2016 vorstellen: Am Jahresanfang stand ein Inputreferat bei der Dresdner Premiere des Filmes „Projekt A“ im völlig überlaufenen Kino in der Fabrik (Dresden-Löbtau). Dabei stellten wir die Entwicklung der anarchistischen Strukturen Dresden in den letzten 10 Jahren dar und es entspann sich eine sehr interessante, mehrstündige Diskussion über die aktuelle anarchistische Bewegung in Deutschland und weltweit.
Im April waren wir auf dem Antifa-Jugendkongress in Chemnitz zugegen und reagierten dort spontan auf das Bedürfnis vieler Dresdner_innen nach lokaler, anarchistischer Vernetzung und organisierten noch einen Treffpunkt für Menschen mit Interesse an anarchistischen Jugendstrukturen, wo sich dann auch 30 (!) Leute zusammen fanden.
Ende Mai tourten dann einige von uns durch Stuttgart, Karlsruhe, Mannheim, Bonn, Siegen, Dortmund, Bremen und Halle mit insgesamt 5 verschiedenen Veranstaltungen. Teilweise kamen hier 30-40 Leute und es wurden Debatten bis in die Morgenstunden geführt. Besonders freut uns, dass sich jetzt in Siegen, wo wir zweimal volles Haus im VEB hatten, mittlerweile auch eine FAU gegründet hat.
Bei den Libertären Tagen Dresden waren wir mit drei Vorträgen am Start, im Laufe des Jahres außerdem noch mit zweien in Chemnitz sowie Cottbus und Freiburg. Insgesamt führte uns das Jahr so in 13 verschiedene Städte.
Neben diesen Veranstaltungen machen aber auch Redebeiträge, Artikel (wie zum Beispiel im „Neuen Deutschland“ zum technischen Fortschritt und der nicht mehr benötigten Arbeitskraft) und Flyer einen guten Teil unserer (Meinungs-)Bildungsarbeit aus. Diese Arbeit ist auch für uns in den AGs und im Gesamtsyndikat ein wichtiger Punkt, um Konsens und Dissenz zu überpfüfen und gemeinsame Standpunkte zu fixieren, v. a. deshalb weil bei den Vollversammlung sehr auf effektive Entscheidungsfindung geachtet wird und sonst oft eher praktische Aufgaben den Syndikatsalltag bestimmen. In Erinnerung blieben uns hier u. a. diverse Redebeiträge anlässlich des Workers Memorial Day (siehe „Gewerkschaftliches“), unserer Intervention während des Bildungsstreiks der trotzkistischen Organisation Revolution und die Debatten um eine Wandzeitung zu autoritären Sozialist_innen, die dieses Jahr erscheinen soll.
Intern konnten wir unsere Bildungsarbeit weiter professionalisieren und auf mehr Schultern verteilen. Auch in diesem Jahr haben wir bereits wieder sieben Vorträge in anderen Städten, zwei Mitgliederweiterbildungen, eine Podiumsdiskussion und zwei Vorträge in der Stadt in Planung. Mehr und mehr stellt sich dabei die Frage, ob es sich lohnt, einen eigenen, anarchosyndikalistischen Bildungsträger aufzubauen und wie dieser gestaltet sein könnte. Für Anmerkung, Kritik, aber auch Menschen, die uns bei der ganzen Arbeit unterstützen möchten, sind wir in jedem Fall dankbar.
Schwarz-Rote Bergsteiger_innen (SRB)
Die Schwarz-Roten Bergsteiger_innen haben sich als eine äußerst vielfältige AG erst im vorletzten und letzten Jahr so richtig etabliert. In diesem Jahr konnten wir die Gruppenstruktur weiter verfestigen, die von uns angebotenen Inhalte und Touren erweitern und unsere Materialien professionalisieren, auf dem Weg hin zu einer gut strukturierten und fachlich einwandfreien Bildungs- und Gedenkarbeit. Trotzdem geht unsere Aktivität weit über dieses Feld hinaus, so sehen wir unsere Aufgabengebiete insgesamt in:
- Bekanntmachen anarchosyndikalistischer Ideen und der FAU in der Region Sebnitz und Pirna
- Unterstützung von antifaschistischen Personen und Gruppen in der Region
- Gedenk- und Bildungsarbeit in der Region (v.a. Vorträge an Schauplätzen von Widerstand und NS-Verbrechen)
- Betreuung, Pachtung, Kauf von Immobilien für politische Veranstaltungen und Urlaub gegen Spende in Region
- gegenseitige Weiterbildung, Sensibilisierung und Engagement in Sachen Umweltschutz
- gemeinsamer Bergsport – aktuell wandern, klettern, skifahren
- Plattform für anarchistische Kunst und Kultur
Um die FAU in der Region bekannt zu machen wurden in diesem Jahr in verschiedensten Dörfern mehrere hundert Anschreiben in den Briefkästen verteilt, in denen wir erklären, warum anarchosyndikalistische Ansätze eine Lösung für materielle Not und Perspektivlosigkeit in der Region darstellen könnten. Daneben wurden auch immer wieder Ortschaften von Nazi-Propaganda befreit und anderweitig verschönert. Wir freuen uns sagen zu können, dass aktuell mindestens 17 Dörfer zwischen Pirna und Sebnitz wenigstens optisch nazifrei sind.
Daneben sind wir bemüht, uns bei den wenigen politischen Aktionen in der Region zu beteiligen, so waren wir im letzten Jahr bei der Osterwanderung gegen Krieg zwischen Königstein und Schandau und bei der Demonstration in Erinnerung an die Pogrome in Heidenau dabei. Auch für dieses Jahr ist unsere Teilnahme an der Oster-Veranstaltung bereits eingeplant.
Unsere Kampagne für ein Libertäres Zentrum in der Region, mit Platz für Kultur- und Bildungsveranstaltungen, Übernachtungen und einem angeschlossenen Wohnprojekt geht weiter und hat mittlerweile erfreulicherweise auch ein paar mehr lokale Unterstützer_innen gefunden. Gleichzeitig müssen wir feststellen, dass wir mit unserer aktuellen Gruppe noch nicht ausreichend gut aufgestellt sind, um das Projekt wirklich stemmen zu können. Hier suchen wir immer noch motivierte Mitstreiter_innen. Aktuell suchen wir daher nach sehr kleinen, günstigen Objekten oder weiteren Gebäuden zu günstiger Pacht.
Immerhin betreuten wir auch 2016 die schon genutzten Räumlichkeiten weiter, hatten wilde und spaßige Baueinsätze, auch mit tatkräftiger Unterstützung von SRB-Mitgliedern aus Brandenburg. Im Schnitt wandten sich auch alle zwei Wochen Menschen an uns, die Urlaub gegen Spende machen wollten oder einen netten Ort für die Klausur ihrer Gruppe suchten. Das freut uns, denn genau dafür wollen wir die Räume zur Verfügung stellen und eure Spenden ermöglichen es uns mehr Räume fit zu machen.
Kunst und Kultur gehört auch zu unserer Arbeit und so entstanden um die diversen Wanderseminare herum (siehe unten) Sticker, Patches, T-Shirt, schwarz-rote Halstücher (Samt und Glitzer) und anderer hübscher Krimskrams. Darauf haben wir Lust und hoffen, dass wir Geld und Zeit finden euch weiterhin schönen Merchandise auf unseren Veranstaltungen präsentieren zu können. Daneben organisierten wir im Zuge unseres bisher größten Wanderseminars dieses Jahr zwei Konzerte (Alarm! und Geigerzähler + Sahara B.) im Gebirge und unterstützten ein weiteres in Dresden (Neofolk gegen Rassismus). Dieses Jahr könnten es dann auch hoffentlich mehr Konzerte werden, da wir nun vielleicht endlich auch eine Location in Pirna für antirassistische Konzerte gefunden haben.
Daneben unternahmen wir diverse Bergfahrten, wie die Jahreserstbesteigungen am 1. Januar dieses Jahres um 0:00 Uhr – lokale Tradition im Elbsandsteingebirge, denn es können mit den nur dann erlaubten Jahresmottos politische Sprüche in die Gipfelbücher geschrieben werden -, aber auch in die französischen Alpen oder nach Kroation. Ein besondere Fanfreundschaft konnten wir dabei mit dem Projekt „Alpinpunx“ aufbauen, die regelmäßig in ähnlichen Klettergebieten unterwegs sind wie wir.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt natürlich weiterhin auf unserer Gedenk- und Bildungsarbeit, mit der wir 2016 bei Veranstaltungen ca. 180 Teilnehmende erreichen konnten (zusätzlich zu den restlichen Bildungsveranstaltungen der FAU).
Wir starteten dabei mit einem Winterwochenende im Februar zur Vernetzung innerhalb der Region Ost und zu Vorstellung unserer lokalen Arbeit.
Die gemeinsame Feier des 8. Mai in den Bergen ergab sich für uns, nachdem wir von einer besonderen Geschichte gehört hatten: Im März 1945 desertierten Franz Ruge und Günther Keil nebst ihrer Verwandten Hans und Dora Ruge. Franz und Dora waren vorher schon im Widerstand gewesen. Sie versteckten sich bis Kriegsende in einer Boofe. Am 8. Mai erfuhren sie von der Kapitulation. Hans und Günther (damals 15) bestiegen zur Feier des Tages einen neuen Klettergipfel und nannten ihn Friedensturm. Wir erfuhren nach Recherchen, dass beide noch am Leben sind. In Gedenken an ihre Leiden im Versteck bestiegen wir gemeinsam den Fels, posierten auf dem Gipfel fürs Foto und riefen die beiden an, die sich sehr darüber freuten, zumsal sie es leider nicht mehr soweit hinaus schaffen. Auch jetzt halten wir sporadischen Kontakt und werden den 8. Mai auf jeden Fall wieder dort feiern. Eine am selben Tag angebrachte Gedenktafel verschwand leider bald darauf.
Den Sommer über recherchierten wir wie die Wilden und testeten gemeinsam mehrfach Touren. Ende August veranstalteten wir dann ein einwöchiges Wanderseminar mit 60 Teilnehmenden (+ 60 weitere für eine Tour mit dem Netzwerk Demokratie und Courage), diversen Wanderungen, Vorträgen, Disko, Kino, Baderei und besagten zwei Konzerten. Die Woche, die vorangegangene Aufbauwoche und das Feedback waren wirklich großartig. An dieser Stelle müssen wir auch noch einmal Black Wok danken, die sich ebenfalls anderthalb Wochen abrackerten und ohne die das niemals möglich gewesen wäre. Während des Wanderseminars brachten wir drei weitere Gedenktafeln an.
Im September folgten zwei weitere, kleinere Seminare über drei Tage, die uns ebenfalls riesige Freude machten, auch wenn wir nicht gerade riesiges Glück mit dem Wetter hatten.
Schon im neuen Jahr erinnerten wir mit einer Kletteraktion am Gipfel „Bahnhofswächter“ an das ehemalige KZ-Außenlager Schwalbe III in Porschdorf. In den nur zweieinhalb Monaten des Bestehens waren hier diverse Gefangene (Aufarbeitung noch in Gang) umgekommen. Das Lager diente v. a. der Errichtung unterirdischer Industrieanlagen. Der Klettergipfel war von der SS als Wachposten für die Häftlingsbarracken genutzt worden. Bei Schnee und Eis bestiegen wir den leichten Gipfel, brachten einen Gedenkkranz an und ließen einen Artikel über das Lager (vom AKuBiZ e.V.) im Gipfelbuch. Danach besuchten wir im Tale weitere Teile der ehemaligen Anlage und platzierten auch dort den Artikel nebst Kerzen.
Für weitere Touren im neuen Jahr durchwühlen einige bereits jetzt die Archive oder gehen neue Touren ab. Schon im Januar hatten wir drei neue Wanderseminare in Vorbereitung, darunter ein fünftägiges und eines über anderthalb Wochen. Daneben werden wir aktuell Partner von „Schule ohne Rassismus“ und wollen unser Angebot noch mal speziell in Richtung Jugendbildung erweitern. Gleichzeitig bemerken wir, wie wir an personelle Grenzen stoßen, da jedes Wanderseminar einige betreuende Personen und einiges an Vor- und Nachbereitungszeit erfordert, von den Stunden der Recherche und Forschungsarbeit gar nicht zu reden. Wir freuen uns deshalb sehr über alle Mensch, die bereit sind uns bei unserer Arbeit zu Unterstützen und sich als SRB-Scouts von uns weiterbilden zu lassen. Wir denken auch 2017 wird mensch einiges von uns hören und wir freuen uns drauf!
Organisatorische Fortschritte und Infrastruktur
Mit mehr Mitgliedern steigen immer auch die Anforderungen an selbstorganisierte Strukturen, was die Schaffung von Transparenz und Verbindlichkeit sowie die Bereitstellung von Informationen angeht. Auch das hat uns in diesem Jahr natürlich wieder beschäftigt.
Zu besseren Transparenz haben wir daher u. a. eine Reihe von Arbeitsrichtlinien erarbeitet, auf deren Grundlage alle Mitglieder auch spontan als FAU aktiv werden können. Daneben erarbeiteten wir einen detailierten und praxisnahen Workshop für Neumitglieder, um das Ankommen in den Strukturen zu erleichtern.
Um immer verlässlich und schnell auf Notfälle in Betrieben reagieren zu können, richteten wir zwei Stellen ein, eine zu Betriebsorganisation und eine zu Arbeitsrecht. Diese Stellen wurden auch auf Anhieb viel genutzt und verbesserten die Zuverlässigkeit bei Anfragen enorm. Wir freuen uns, dass wir einige Male im Jahr 2016 helfen konnten und über das gute Feedback der betroffenen Kolleg_innen. Dank gilt hier auch noch mal speziell der FAU Berlin, die für Mitglieder in der Region Ost zu diesem Thema regelmäßige Weiterbildungen organisiert.
Zu feiern hatten wir im Herbst schließlich noch unser 5-jähriges Bestehen – ein Geburtstag, den wir mit der Eröffnung unseres Büros und einer Musikveranstaltung der Band Alarm! und der DJ Twistet Lizz zelebrierten. Gerührt haben uns hier die vielen Glückwünsche, die Beitritte, das Geschenk der URA und die Unterstützung der Mangelwirtschaft und vieler anderer.
Das Büro wurde auch umgehend genutzt und so konnten wir schon der ein oder anderen Kolleg_in vor Ort weiterhelfen und freuen uns nun auch einen räumlichen Anlaufpunkt für die Organisation geschaffen zu haben.
Gewerkschaftliches
Was wir sonst noch so trieben und was nirgendswo anders rein passte: Am 1. Mai beteiligten wir uns mit einem Aufruf zum Krank machen und einer Infopunkt auf dem Albertplatz am europaweiten Aktionstag für einen transnationalen Streik.
Am 28. April beteiligten wir uns am internationalen Workers Memorial Day, einem Gedenktag für alle, die während der Arbeit verunglücken oder durch Arbeitsbedingungen geschädigt werden. Nach einer Gedenkansprache weihten wir ein temporäres Mahnmal im Columbuspark in Dresden Löbtau ein. Danach zogen wir mit verschiedensten Redebeiträgen zu Möglichkeiten der internationalen Solidarität und zu Belastungen bei Lohn- und unbezahlter Reproduktionsarbeit durch die Stadtteile Löbtau und Gorbitz.
Während des ersten Mais beteiligten wir uns an einem Demonstrationsbündnis gegen einen Aufmarsch der nationalsozialistischen Vereinigung III. Weg in Plauen mit eigenem Lautsprecherwagen, Block und Redebeitrag. Die mit der Teilnahme verbundenen Hoffnungen wurden hier klar enttäuscht: Die Demonstration gab es aufgrund der internen Dynamik und der Angriffe seitens der Polizei weder nach innen noch nach außen her, inhaltliche Schwerpunkte und Diskussionsansätze in den Vordergrund zu rücken. Gleichzeitig war eine Blockade der Rechtsradikalen nicht annähernd möglich. Letztlich wurde damit unsere Befürchtung war, sich an diesem Tag Inhalt und Aktion von Neo-Nazis diktieren zu lassen anstatt eigene Akzente zu setzen. Gerade im Hinblick auf unsere Anwesenheit bei vielen kleinen antifaschistischen Gegenmobilisierungen, z. B. montags bei Pegida, reagieren wir mit Unverständnis auf diese Schwerpunktlegung der Bewegung am 1. Mai.
In Chemnitz demonstrierten am selben Tag 50 Mitglieder und Sympathisierende der FAU durch einen prekär geprägten und von rechten Agitator_innen umschwärmten Stadtteil mit einer guten, inhaltlichen Demo, die viele Zuhörer_innen fand. Vorraussichtlich werden wir die Ereignisse des letzten Jahres zum Anlass nehmen, in diesem Jahr am 1. Mai wieder ausschließlich auf eigene Inhalte und Veranstaltungen zu setzen.
Daneben war immer auch mal Zeit für kleinere Aktionen wie die gewerkschaftliche Beratung auf dem Straßenfest in Löbtau oder ein kleiner, aber feiner Umzug unter dem Motto „Proletarian Parade“ während der Libertären Tage. Bei diesem zogen wir in unseren Arbeitsklamotten und mit vielen Zwischenansagen von Löbtau in die Friedrichstadt und führten viele Gespräche am Rand der Demo. Im Januar beteiligten wir uns außerdem an einer bundesweiten Aktion gegen Ausbeutung bei den Helios-Kliniken.
Versuch eines Fazits
Während wir die Arbeit an dieser ausführlichen Publikation beenden, ist es schon längst 2017. Die Aktionen im Januar und Februar haben uns gut eingespannt – Geschichte wird gemacht. In der Rückschau zeigen sich natürlich einige Probleme, v. a. dass der Ausbau unserer Strukturen – trotz Mitgliederzuwachs – doch oft mehr Zeit und mehr Helfende braucht, als wir das gern hätten.
Trotzdem motiviert uns eine gerade stattgefundene und völlig überfüllte Jahresklausur mit vielen unterschiedlichen Gesichtern aus vielen unterschiedlichen Branchen, mit Elan weiter zu machen. Als wir uns zu diesem Anlass selbst fragten, warum wir Mitglied geworden sind, wurden einige Dinge immer wieder hervor gehoben: Die mit einer Strategie verbundene, konkrete Utopie, die Diversität von Hintergründen und Perspektiven in der FAU, der konkrete, materielle Schutz der Mitglieder, die Ernsthaftigkeit, mit der an Selbstverwaltung gegangen wird, die Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten und der Wille, Machtansammlungen in der Organisation entgegen zu treten.
Wir denken damit sind wir auf keinem schlechten Weg, auch wenn es gleichzeitig immer viel zu verbessern gibt, gerade was Organisations- und Kommunikationsabläufe angeht. Besonders erfreulich ist, dass wir diese Entwicklung nicht im luftleeren Raum vollziehen, sondern mit vielen liebgewonnenen Partner_innen vor Ort und einer starken, sich ebenso rasant entwickelnden FAU-Region Ost im Rücken.