Die Kunst- und Kulturbranche ist u. a. von Unterfinanzierung, prekären und unsicheren Lebens- und Arbeitsverhältnissen, daneben auch von sexistischer Diskriminierung geprägt. Die Organisation in diesem Bereich ist durch die sehr unterschiedlichen Arbeitsrealitäten bspw. am Theater oder als freie Künstler_in äußerst schwierig. Daneben sind „klassische“ Arbeitsverhältnisse eher selten. Gewerkschaftsarbeit in der Branche fokussiert sich daher einerseits auf Betriebsarbeit, andererseits auf gegenseitige Hilfe in prekären Lebensumständen und die Beratung sowie konkrete Unterstützung bei Honorarverhandlungen und -eintreibungen.
In der Vergangenheit war eine aktive Kunst- und Kultursektion (CindyCat) Teil unserer lokalen Basisgewerkschaft. Weiter unten auf dieser Seite findet ihr ihre Geschichte bis Sommer 2017. Der (berufliche) Werdegang der Mitglieder führte dazu, dass diese Sektion solidarischer Kulturarbeiter_innen heute international weiterwirkt und weitere Aktionen anschieben konnte (hier ein Beispiel). Aktuell ruft CindyCat Künstler_innen auf, feministisch zu streiken. Treffen der umtriebigen Katze gibt es in Dresden aber seit längerem nicht mehr.
In der FAU Dresden organisieren sich gerade u. a. freie Kunstschaffende, Theatermitarbeiter_innen und Kunststudierende, aktuell fehlt aber die kritische Masse, um eine lokale Vernetzung oder eine neue, aktive Branchensektion aufzubauen. Wenn du daran Interesse hast, bekommst du von uns natürlich jede mögliche Unterstützung.
CindyCat, die als Untote umgeht, spricht zu euch:
„Bis dahin macht es wie wir: Organisiert euch dezentral. Wir sind mittlerweile über Europa verteilt und unterhalten uns unregelmäßig über Skype und irgendwelche Pads. Grundsätzlich sind wir, soweit es unsere Kapazitäten zulassen, an Austausch mit Menschen oder Bündnissen interessiert, die Ähnliches tun. (cindycat [at] riseup.net) Ansonsten empfehlen wir euch: werdet Mitglied in einer Gewerkschaft und vernetzt euch mit Kolleg_innen an eurem Ort.“
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Rückblick zur Inspiration: Cindy’s alter Beschreibungstext
Wir, die Branchengruppe Kunst/Kultur versuchen, uns im Kulturbereich zu organisieren. Wir sind eine Gruppe, die seit Anfang 2016 zusammenarbeitet und sich unregelmäßig trifft. Wir sind (noch?) keine eigenständige Branchengewerkschaft, sondern als AG an das Allgemeine Syndikat Dresden angebunden. Einige von uns sind FAU-Mitglieder, einige nicht. Wir berichten der Vollversammlung von unseren Aktivitäten, und stehen in wechselseitigem Austausch. Wir alle sind im Kunst- und Kulturbereich freischaffend und/oder studierend, und haben dementsprechend begrenzte Kapazitäten.
Wir haben den Eindruck, dass wir jetzt am genauesten, sinnvollsten oder effektivsten sind, wenn wir in einer Konstellation miteinander sprechen, die sich nicht ständig ändert. Deshalb können und wollen wir gerade kein allgemeiner ‚Anlaufpunkt‘ sein. Wer verbindlich in unser gemeinsames Denken, Schreiben und Machen einsteigen will, kann das tun (Terminnachfrage an…). Wer ein konkretes Anliegen/Arbeitsproblem hat, kann sich damit auch an diese Adresse wenden.
Gelegentlich wird es auch Öffentliches von uns geben. Vielleicht kommt mal wieder ein Meet&Greet, vielleicht bieten wir mal eine offene Sprechstunde an, vielleicht haben wir mal was zu fragen oder zu verkünden. Sollte das so sein, ihr werdet es hier erfahren. Wenn ihr in dem Fall eine Mail von uns bekommen wollt, dann schreibt das an … .
Wir besetzen übrigens auch nicht den Bereich Kunst/Kultur! Wenn ihr euch in dem Bereich organisieren wollt, vielleicht ganz anders als wir, dann macht das einfach. Sagt uns Bescheid, dann können wir auch mal was zusammen machen.
Wir haben (eine) Bande gebildet!
CindyCat – Her Story (ein paar Stichpunkte)
Unsere strukturierte Arbeit zum Thema Kunst und Kultur begann im Januar letzten Jahres mit einer Tagung zum Thema Streik an der Hochschule für Bildende Künste. Kulturarbeiter_innen und Mitglieder der FAU intervenierten auf der kunsthistorischen Konferenz, indem auf verschiedensen Ebenen nach den Produktionsbedinungen von Kunst im Allgemeinen und jener Konferenz im Speziellen gefragt wurde. Wir stifteten Ort des Austauschs, den wir Freizeitclub nannten. Hier gab es bildnerische Bearbeitung des Themas Arbeit/Streik und Informationen zur gewerkschaftlichen Organisierung. Zudem wurde ein Fragebogen, der angelehnt an die Marx’schen Fragebögen, sowohl das Bewusstsein der Kolleg_innen für Lebens- und Arbeitsbedingungen schärfen, als auch uns einen Überblick ermöglichen. Die hier gesammelten, anonymen Informationen können ein Ausgangspunkt der Organisierung sein. Join your local union! Noch auf der Tagung entspann sich ein spontanes Treffen von Menschen, die es dabei nicht bewenden lassen wollten, die Sektion Kunst und Kultur war geboren.
Hauptaktionsfeld war es erstmal Menschen zusammen zu bringen, Kontakte herzustellen, zu diskutieren und sich über das Spektrum der Interessensverbände aber auch die Verfasstheit der Kunst- und Kulturindustrie klarer zu werden. Dafür dienten 2016 insgesamt 6 offene „Meet and Greets“ mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten.
Neben der völligen Unterfinanzierung der Branche wurden dabei v.a. die Individualisierung unter den Kolleg_innen und die sehr verschiedenen Lebensrealitäten bspw. von freischaffenden, bildenden Künstler_innen und Handwerker_innen im Theaterbetrieb deutlich. Zum Zwecke eines differenzierten Bildes wurden deshalb auch bei verschiedenen Anlässen die Umfragen fortgesetzt, so dass die Sektion die auch aus Nicht-FAU-Mitgliedern besteht, nun auf eine Vielzahl schriftlicher Selbsteinschätzungen zurück greifen kann.
Weitere Aktivitäten der Branchengruppe waren u.a. diese:
* Recherchereise nach Utrecht um dort casco projects zu besuchen. Die Kulturinstitution schafft es in vielerlei Hinsicht ästhetisch und politisch zu sein. Das Format der „parasite lottery“ antwortet auf die Kürzungen im der öffentlichen Kulturfinanzierung vor Ort. Die Musikerin FRAU inspirierte uns mit ihren Liedern. Der Refrain „We are parasites, join our paradise…“ klingt nach.
* offener Brief zur Tagung „Kunst und Öffentlichkeit – Dispositive zwischen Verein, Initiative und Institution“ des Landesverband Bildende Kunst Sachsen.
* Entwurf und Installation des Banners _“kreativ = aus Scheiße genial Geld machen, kompetent, besser: können, flexibel – sich biegen lassen, reflektiert, und dann: handeln!“_
* Schriftliche Intervention zur Frage nach der politischen Verantwortung von Künstler_innen, Galerist_innen und Besucher_innen der Kunstmesse Köln.
* Konzeption, Diskussion, Erarbeitung, Herstellung und öffentliche Präsentation des Plakates / Psychotests: „MACH ICH’S UMSONST? Wann will ich wie viel Geld für meine Arbeit?“ (LINK Mehr Info / LINK Release-Event)
Anregend war für uns auch die ehemals in der FAU Berlin existente Kultur-Sektion. Hier deren Selbstbeschreibung:
In der Kulturbranche zu arbeiten, ist eine feine Sache. Nur manchmal beschleicht einen das Gefühl, dass diese Annehmlichkeit teuer erkauft ist und die Realität nicht ganz so rosig aussieht. Beschäftigte in der Kulturbranche sind unter den ersten, die erfahren, was die schöne neue Arbeitswelt verheißt: Dumpinglöhne, unsichere Beschäftigungsverhältnisse, flexible Verfügbarkeit, entwürdigende Behandlung und oftmals keine soziale Absicherung. Die große Masse arbeitet für Einkünfte, die im Vergleich zu anderen Branchen unter dem Durchschnitt liegen. Auf der anderen Seite gibt es nur vereinzelt gewerkschaftliche Gegenwehr und es herrscht bei vielen eine Mentalität des Einzelkämpfers vor. Wir können auch anders: Wir sind offen für alle Kulturschaffenden (bildende Künstler, Musiker, Schauspieler etc.) wie auch für alle Beschäftigten von Kulturinstitutionen (Theater, Kino, Museen, Kulturstiftungen etc.) und Firmen aus der Kulturindustrie (Filmproduktionen, Eventagenturen, Tonstudios etc.) – unabhängig von der konkreten Tätigkeit und dem Beschäftigungsstatus. Ob Reinigungskraft oder Künstlerin, Jobber oder Festangestellte, in Ausbildung befindlich, schwarz oder (schein)selbständig arbeitend ist dabei zweitrangig. Unsere Stärke sind wir selbst: Wir streben auf längerer Sicht die Gründung eines eigenständigen Branchensyndikats Kultur an, aktuell besteht unsere Praxis in erster Linie im Austausch und Vernetzen und in der Unterstützung einzelner Kolleginnen und Kollegen und unserer Betriebsgruppen. Neben Diskussionen und Selbstbildung, dem Anstoßen eigener (kultureller) Projekte, der Erstellung von Infomaterialien stehen oftmals konkrete Konflikte im Zentrum unserer Arbeit. Wir sind davon überzeugt, dass auch mit wenigen – gerade im Zusammenspiel mit den Konsument_innen, einem sensiblen Punkt der Kulturindustrie – viel erreicht werden kann. Worauf es ankommt, ist ein gemeinsames, entschiedenes Vorgehen, mit dem man – unserer Erfahrung nach – mehr erreichen kann als die etablierten Gewerkschaften überhaupt wollen.